Liebe Amberger,
Liebe Ambergerinnen,
Seit einigen Wochen treffen sich nun auch in unserer Stadt Gegner der Corona-Schutzmaßnahmen und Impfgegner zu Demonstrationen und sogenannten Spaziergängen. Als Mehrheit der Gesellschaft dürfen wir hier nicht tatenlos zusehen und schweigen. Wir müssen klarmachen, dass der weitaus größte Teil der Amberger*innen mit Vernunft und Verstand auf die Herausforderungen dieser Zeit reagiert und für die Verantwortung übernehmen, die besonders unter der Pandemie und ihren Folgen leiden.
Wir Amberger:innen verhalten uns in der Corona-Pandemie umsichtig und solidarisch. Von Beginn an haben unsere Gastronomen und Einzelhändler alle nötigen Maßnahmen und Beschränkungen umgesetzt, auch wenn es für die Betroffenen oft mit teils erheblichen Umsatzeinbußen verbunden war und ist. Auch Kultureinrichtungen, Vereine und Gruppen haben ihr Angebot zu großen Teilen eingeschränkt oder gar komplett eingestellt. Sie alle tun das, um ihrer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe im Kampf gegen die Corona-Pandemie nachzukommen und Verantwortung zu übernehmen.
Auch wir als Amberger Bürger:innen haben unseren Teil zu diesen Maßnahmen beigetragen und tun das auch bis heute. Wir stehen zu unseren Händlern, Gastronomen und den Wirtschaftsbetrieben, die in dieser Krise alles gegeben haben. Das verdient unseren Respekt und unsere Anerkennung.
Ebenso sprechen wir allen Mitarbeiter:innen in Klinik- und Pflegeeinrichtungen unseren Dank aus. Wir wissen, wie wichtig ihre Arbeit ist und haben tiefen Respekt, dass sie diese Arbeit auch unter den Extrembedingungen in Pandemiezeiten aufopferungsvoll verrichten.
Wir wissen, dass wir mit der Annahme von Impfangeboten gegen das SARS-COV-2-Virus Teil einer einmaligen Solidaritätsaktion sind und tragen gerne dazu bei. Wir sehen uns als informierte und aufgeklärte Mitglieder der überwältigenden Mehrheit der Gesellschaft. Mit der Unterzeichnung dieser Erklärung rufen wir alle Amberger:innen, die das Impfangebot als wichtigsten Baustein im Kampf gegen das Virus bisher noch nicht angenommen haben, dazu auf, das nun zu tun.
Was wir nicht hinnehmen, sind gezielte Fehlinformationen und Versuche einer kleinen Minderheit, die Leistung von uns allen kleinzureden oder sich gar darüber lustig zu machen. Wir achten und verteidigen das Grundrecht auf Versammlung im Sinne unserer demokratischen Staatsordnung, treten jedoch entschieden gegen Versammlungen ohne rechtliche Grundlage ein. Ebenso verurteilen wir jede Art von Vergleichen der aktuellen Maßnahmen mit Taten aus diktatorischen Regimen und aus den dunkelsten Tagen unserer Geschichte. Außerdem verurteilen wir jede Straftat, die unter dem Deckmantel des Protestes begangen wird, insbesondere gegen Polizei- und Rettungskräfte.
Wir sind der festen Überzeugung, dass die Akteure des angeblichen Protestes und selbsternannte Widerstandskämpfer die Spaltung der Gesellschaft als solches, von Familien, Freundschaften und anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen bewusst befeuern, um Unruhe zu stiften und so unsere Demokratie schwächen wollen.
Wir rufen daher alle Mitbürger:innen dazu auf, nicht an Demonstrationen und „Spaziergängen“ teilzunehmen, die sich gegen Maßnahmen richten, die eine schlimmere Ausbreitung des Corona-Virus verhindern sollen.
Als Amberger:innen stehen wir auch jetzt zusammen und treten für unsere gemeinsamen Werte ein, ohne andere in Gefahr zu bringen. Wir sehen diese Erklärung als Sprachrohr und erheben unsere Stimme gegen Coronaleugner und verschwörungstheoretische Strömungen in der Gesellschaft.
In Amberg entwickelt sich die Szene nun genau so, wie es das „Bündnis für Toleranz und Menschenrechte“ (kurz OBTM) vorausgesagt hatte. Rechtspopulistische und rechtsextreme Gruppierungen unterwandern zielgerichtet den Protest. Das Vorgehen ist nicht neu, scheint aber nun auch in Amberg zu funktionieren: Unbedarfte Organisatoren bieten eben leider nicht nur Menschen aus der politischen Mitte ein Podium, und eine Möglichkeit, ihre Gefühle und Ängste zur artikulieren, sondern auch rechten Stimmungsmachern.
Patrick Schöder stellte sich aus „Patrick aus Weiden“ vor, seine politischen Aktivitäten erwähnte er mit keinem Wort. Stattdessen motivierte er die Menge zu „Lügenpresse“-Rufen, hetzte gegen die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und zog den Kampf gegen Corona ins Lächerliche. Am Montag stellte sich Arnold den Demonstranten als Ex-Soldat, Vater und Unternehmer vor, mit seiner Festsetzung in Schwandorf vor einigen Tagen kokettierte er. Damals wurde er wegen Beleidung angezeigt. Er inszenierte sich in Amberg als unbeugsamer Widerstandskämpfer und betonte, wie gut ihm Amberg gefalle – einen Hinweis auf seine Tätigkeit für die AfD (immerhin war er in seinem Wahlkreis Bundestagskandidat) blieb er schuldig. Wer Schröder und Arnold also nicht kannte, konnte sie gar nicht einordnen und verortete sie in der Protestbewegung. Genau hier liegt das Problem. Rechtsextreme und AfD-Politiker sammeln hier Sympathien und verschieben so die Grenzen des Tolerierbaren immer weiter nach rechts. Die überwiegende Mehrheit der Demonstranten dürfte kaum gewusst haben, wem sie da zujubeln, mit wem sie auf Fotos posieren, auch wenn Arnold immer wieder forderte, die „Regierung muss weg“ oder betonte, er lasse sich von niemanden den Mund verbieten, „auch nicht von der Polizei oder sonst wem“. Auch Schröder bemühte sich um einen möglichst bürgerlichen Anstrich und stellte sich auf die Seite der Ungeimpften.
„Wir verstehen Menschen, die sich mit all den Auflagen in der aktuellen Situation unwohl fühlen, die sich einen schnelleren Abbau der Maßnahmen wünschen. Und auch eine ergebnisoffene Debatte um die Impfpflicht befürworten und fordern wir. Was wir aber verurteilen, sind gezielte Falschaussagen, Desinformation und vor allem die Unterwanderung dieser Demonstrationen von rechtsaussen. Wir fordern die Politiker in den Rathäusern, Stadt- und Gemeinderäten, die Vertreter von Kirchen, Verbänden und Vereinen und die Zivilgesellschaft dazu auf, dieser Entwicklung bewusst und entschlossen entgegenzutreten. Beziehen sie Stellung – auch öffentlich!“ so der Sprecher des OBTM, Hans Lauterbach. „Die Gefahr ist real und nicht mehr zu unterschätzen. Bedenkt man, dass die AfD selbst sagt, sie sei überzeugt davon, wenn es Deutschland schlecht gehe, gehe es der AfD gut, wird klar, dass es den Funktionären dieser Partei um die gezielte Instrumentalisierung der Sorgen und Bedenken der Menschen geht – und eben nicht um die Demokratie. Auch dass ein Neonazi wie Patrick Schröder hier eine bürgerliche Bühne bekommt, spricht Bände. Jetzt liegt es an uns allen, in verantwortungsvolle Diskussionen und Gespräche zu gehen und auch die abzuholen, auf die es die AfD und andere rechte Gruppen abgesehen haben: Die Menschen aus der Mitte der Gesellschaft.“ Mit dieser Einschätzung ist das OBTM nicht alleine: „Diejenigen, die da mitlaufen, liefern die Legitimationsgrundlage dafür, dass die AfD dann mit Begriffen wie „Corona-Diktatur“ die Sache emotionalisiert und polarisiert. Dies wiederum sind Begriffe, die für die rechtsextremistischen Gruppen Legitimation darstellen, weil sie sich daraus so etwas wie ein Notwehrrecht zimmern, das Gewalt rechtfertigt.“ So der renommierte Konfliktforscher Prof. Wilhelm Heitmeyer vor einigen Tagen in einem Interview. Eine Möglichkeit für die Öffentlichkeit, gegen rechte Umtriebe einzutreten und die Proteste auf den demokratischen Weg zu bringen ist die „Amberger Erklärung“, die inzwischen von über 3.800 Menschen unterzeichnet wurde.